Efeu - Die Kulturrundschau - Archiv

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Efeu - Die Kulturrundschau vom 17.05.2024 - Bühne

"Rheingold" in Dortmund. Foto: Thomas M. Jauck.

In "unorthodoxer Reihenfolge" hat Regisseur Peter Konwitschny Wagners "Ring" an der Oper Dortmund aufgeführt, nun setzt er mit dem eigentlichen Vorspiel "Rheingold" zum dritten Teil an - ein voller Erfolg, ruft Manuel Brug beglückt in der Welt. Konwitschny sei hier wieder zu Hochform aufgelaufen: "In Dortmund ist jeder Tetralogie-Teil sein eigener 'Ring'-Kosmos, eingebettet in Symposien sowie begleitende, zeitlich oder inhaltlich passende Opern. Eine wohltuend separierte, bescheiden-konzentrierte Erzählhaltung - gerade nach all den aktuell mehr oder weniger ratlosen, verquasten oder unterkomplexen Prestigedeutungen von Berlin bis Bayreuth, Brüssel bis London. Man kann sich also schon mal den Mai 2025 vormerken, wenn der dann 80-jährige Peter Konwitschny seine 25 Jahre junge 'Götterdämmerung' noch einmal aufleben lässt und dieser Pott-'Ring' sein vermutlich famoses Ende finden wird. Zum vierten Mal."

Laura Linnenbaum bringt am Schauspiel Frankfurt Dostojewskis "Die Brüder Karamasow" auf die Bühne - doch alle Rollen sind mit Frauen besetzt. Im Interview mit der FR erklärt Linnenbaum ihre geschlechtliche Perspektivierung:  "Das Patriarchat wird in diesem Roman bereits angezählt. Mit dem Vatermord, aber auch mit der Frage, ob es Gott gibt oder nicht. Auch der Landadel ist angezählt, das Patriarchat stirbt auf mehreren Ebenen. Dazu kommen die großen Fragen: Warum ist das Schlechte in der Welt, was ist der Mensch? Ich hatte die Vorstellung, das müsste heutzutage unbedingt einmal aus Frauenmund erzählt werden, um zu sehen, wie dieser Perspektivwechsel wirkt." Dabei spielt auch die eigene Erfahrung der Regisseurin als Frau im Theaterbetrieb eine Rolle: "Aus meiner Arbeitserfahrung heraus würde ich sagen, dass es immer noch eine Hürde ist zu beweisen, dass man seinen Job kann. Das läuft ganz unterbewusst ab bei den Leuten. Ich erinnere mich an eine Kantinenszene, als ich hier als Assistentin war. Ein Tisch Produktion mit einem Regisseur, ein Tisch Produktion mit einer Regisseurin. Alle waren wild am Diskutieren. Am Frauentisch: Jeden Tag ist alles anders, die weiß nicht, was sie will. Am Männertisch: Jeden Tag ist alles anders, keine Ahnung, wir checken es noch nicht, aber es ist so geil."

Der Vertrag von Sibylle Broll-Pape, Intendantin am E.T.A.-Hoffmann-Theater in Bamberg, wird nicht verlängert - weil sie eine ältere Frau ist? Das zumindest fragt sich Christine Dössel in der SZ: "Broll-Papes Ansicht, dass der Respekt vor dem Alter, vor allem vor alten Frauen, abgenommen habe, lässt sich schwer belegen. Aber dass sie kein einziges Folgeangebot als Regisseurin hat, ist Fakt. Sie würde in den nächsten Jahren schon gerne noch ein bisschen im Theater mitmischen, so wie das ja auch ihre männlichen Kollegen im Rentenalter tun. (…) Für Frauen gibt es solche Angebote selten. Broll-Pape weiß auch, warum: 'Weil Alter bei Männern keine Rolle spielt, bei Frauen aber schon.' Dabei ist doch im Theater die Zeit der Frauen angebrochen, oder etwa nicht? Es gibt immer mehr Intendantinnen, weibliche Leitungsteams, Regisseurinnen. An den Häusern wird Geschlechtergerechtigkeit eingefordert. Nur: Alte Frauen sind damit eher nicht gemeint. Junge Frauen sind jetzt zwar öfter in Leitungspositionen, aber sie holen auch wieder nur junge Frauen - und vor allem: Männer."

Weiteres: Lolita Lax und Jean Peters erhalten den Jürgen Bansemer und Ute Nyssen-Dramatikerpreis, meldet die FAZ. Die NZZ bespricht das Berliner Theatertreffen nach. Nach dem Tod von René Pollesch soll für die Volksbühne eine Interimslösung her, berichtet die Berliner Zeitung. Die Nachtkritik blickt anlässlich der Ruhrfestspiele nach Recklinghausen.

Efeu - Die Kulturrundschau vom 16.05.2024 - Bühne

Der Antisemitismusbegriff werde von rechts entleert, wehrt sich Milo Rau, Intendant der morgen beginnenden Wiener Festwochen, im Zeit-Gespräch gegen den Vorwurf, er würde mit der Einladung von Omri Boehm und Annie Ernaux Antisemiten unterstützen. Bei den Festwochen, bei denen er eine Räterepublik ausrufen will, verspricht er nicht weniger als eine "Revolution": "Ich glaube, die Zivilgesellschaft muss sich wieder zum Souverän erklären und die parlamentarische Demokratie mit neuem Leben füllen. Hundert Räte sind es insgesamt, zwanzig internationale wie Annie Ernaux, Elfriede Jelinek oder Sandra Hüller, elf Vertreter lokaler Partnerorganisationen und 69 Menschen aus den 23 Wiener Bezirken. Durch alle politischen Lager und Gruppen. Die Idee ist es, eine Wiener Erklärung zu entwickeln. Eigentlich geht es um die Frage, wie man aus der Zivilgesellschaft heraus eine Neugründung der Demokratie erreichen kann."

Katharina Wagner bleibt bis 2030 künstlerische Leiterin der Bayreuther Festspiele, ab 2025 bekommt sie einen "General Manager" an die Seite gestellt, der für die Haftung für Bau und Betrieb zuständig ist. In der FAZ ist Jan Brachmann gespannt, wer den "undankbaren" Job übernehmen will, denn: "Demnächst steht die Generalsanierung des Festspielhauses an. Geschätzte Kosten: 210 Millionen Euro. Wagner wollte sich, neben der künstlerischen Arbeit, die Last der Mithaftung dafür nicht auch noch zumuten. ... Stattdessen bekommt Wagner von 2025 an ein eigenes künstlerisches Budget und innerhalb dessen volle Vertragshoheit. (…) Die Verantwortung des General Managers umfasst damit den gesamten Bereich von Verwaltung, Technik und Bau, von Kundenbetreuung und Kartenvertrieb, eine wenig dankbare, aber dafür sehr große Aufgabe, weil er oder sie nicht nur juristische, buchhalterische, kaufmännische und technische Kompetenz mitbringen muss, sondern eben auch Verständnis für die künstlerischen Arbeitsprozesse an einem Opernhaus."

Weitere Artikel: Die Schauspielerin Ursina Lardi wird den Alfred-Kerr-Darstellerpreis beim Berliner Theatertreffen verleihen, meldet Rüdiger Schaper im Tagesspiegel. In der SZ porträtiert Egbert Tholl das Theaterhaus Jena, das im Kollektiv geleitet wird und nun mit dem Stück "Die Hundekot-Attacke" zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurde. Auch das Van-Magazin widmet sich dem Theaterhaus Jena, das auch durch familienfreundliche Arbeitsbedingungen überzeugt. Ebenfalls im Van-Interview spricht Calixto Bieito, der derzeit für seine neue Produktion von Verdis "I Vespri Siciliani" am Opernhaus Zürich probt, über den Unterschied zwischen Kunst und Kultur und die Arbeit an der Metropolitan Opera. In der Berliner Zeitung porträtiert Michaela Schlangenwerth den Choreografen Christoph Winkler, dessen Stück "Four non Blondes" in den Berliner Sophiensälen Premiere feiert.

Besprochen werden Manuel Neukirchners Fußballdrama "Die Nacht von Sevilla" bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen (SZ) und Karin Beiers Inszenierung "Laios" beim Theatertreffen (nachtkritik).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 15.05.2024 - Bühne

"Sonne/Luft" am Schauspiel Stuttgart, Foto: Björn Klein

Das Schauspiel Stuttgart bringt ein Elfriede-Jelinek-Stück zum Klimawandel auf die Bühne. Adrienne Braun ist in der SZ äußerst angetan von "Sonne/Luft": "Die Sonne wird von Katharina Hauter gespielt, deren Gesicht ausschaut wie Sonnenbrand, den sich Urlauber beim Rösten in ihren 'Flammen' holen. Jelinek verknüpft die Klimakatastrophe unmittelbar mit den Flüchtlingsströmen, die an Zäunen 'mit einer schicken Frisur aus Nato-Draht' abprallen. So lapidar sie ihre Wortspiele aneinanderreiht, knüpft sie doch ein kluges Netz voller Querbezüge, als wolle sie einem zwingen, neue Verknüpfungen vorzunehmen, damit die böse Wahrheit nicht länger auf routinierten Denkpfaden verhallt." Deutlich weniger glücklich wird Braun hingegen mit Oliver Frljićs gleichfalls in Stuttgart gegebener Bühnenfassung von George Orwells "Animal Farm" ("inszeniert plakativ die Konfrontation von Masse und Macht").

Außerdem: Margarete Affenzeller blickt im Standard voraus auf die Wiener Festwochen und stellt Überlegungen zur Politisierung von Festivals an. Die nachtkritik blogt weiter vom Berliner Theatertreffen. Manuel Burg freut sich in der Welt darüber, dass Katharina Wagner fünf weitere Jahre lang Leiterin der Bayreuther Festspiele bleibt.

Besprochen werden Gluck- und Mozart-Opernaufführungen auf den Gluck-Festspielen in Bayreuth (FAZ), die Georg-Kreisler-Soiree "Heute leider Konzert!" am Schauspiel Frankfurt (taz), das Stück "Kinder der Zeit / Dzieci Epoki" am Emma-Theater, Osnabrück (taz Nord), eine "Othello"-Inszenierung an der Wiener Staatsoper (Standard) und Mozarts "La Clemenza di Tito" an der Staatsoper Hamburg (nmz)

Efeu - Die Kulturrundschau vom 14.05.2024 - Bühne

Ulrich Seidler porträtiert für die Berliner Zeitung die Schauspielerin Lina Beckmann, die derzeit in dem Ein-Frau-Stück "Laios" im Deutschen Schauspielhaus Hamburg zu sehen ist. Die Staatsoper unter den Linden in Berlin hat mit Elisabeth Sobotka eine neue Intendantin und mit Christian Thielemann einen neuen Generalmusikdirektor: Frederik Hansen gibt im Tagesspiegel einen kurzen Überblick zu den Plänen für die nächste Saison. In der Berliner Zeitung ist Michael Maier entsetzt, dass das neue Team die Barocktage der Staatsoper aus dem Programm gestrichen hat. In der taz bespricht Katrin Bettina Müller mehrere Stücke vom Berliner Theatertreffen, unter anderem Jette Steckels Inszenierung von Tschechovs "Die Vaterlosen". Besprochen wird Anne Teresa De Keersmaekers Tanzstück "Il Cimento dell'Armonia e dell'Inventione" nach Antonio Vivaldi beim Kunsten Festival des Arts in Brüssel (FAZ).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 13.05.2024 - Bühne

Szene aus "Game on: Zauberflöte" am Theater Freiburg. Foto: Laura Nickel.

Viel Spaß hat SZ-Kritiker Egbert Tholl mit Marco Stormans ganz spezieller Inszenierung von Mozarts "Zauberflöte" am Theater Freiburg. Der Clou: Oper als Computerspiel, das Publikum kann entscheiden, wie es weitergeht - auch musikalisch. Tholl erklärt, wie's funktioniert: "Auf der Bühne das Personal, hergerichtet wie Videospielfiguren, das Orchester vorn, oben, wundervoll im Klang. Das Material: Mozarts Musik aufgeteilt auf 25 Module, die je nach Publikumsentscheid zum Einsatz kommen. Da könnte die 'Rache-Arie' auch dreimal kommen, am Premierentag ist es ganz anders, das Publikum hat keine Lust auf Wasser- und Feuerprobe, ahnt aber nicht die Folgen: Die Königin der Nacht gewinnt, sie singt von den 'Strahlen der Sonne, Sarastros Welt geht unter, 'Rex tremendae' aus dem Requiem besiegelt dessen Schicksal." Auch nachtkritiker Jürgen Reuß lässt sich von den NPCs (Non-Player-Characters) Königin der Nacht und Monostatos amüsiert durch den Abend führen - trotz der großen organisatorischen Schwierigkeiten im Vorfeld der Premiere ist hier ein witziges, vielleicht etwas albernes, Event entstanden.

Weitere Artikel: Die Schauspielerin Ursina Lardi, die dieses Jahr den Alfred-Kerr-Darstellerpreis beim Berliner Theatertreffen vergibt, unterhält sich in der FAZ über die Herausforderungen ihres Berufes, falsche Schönheitsideale und erklärt, wie man einen Oktopus spielen kann. Im tagesspiegel teilen Matthias Pees, Leiter der Berliner Festspiele, Redakteur Rüdiger Schaper und die Schauspielerin Valery Tscheplanowa ihre Einschätzung zur Frage: Ist das Berliner Theatertreffen nach 61 Jahren noch zeitgemäß?

Jette Steckels Inszenierung von Tschechows Stück "Die Vaterlosen" an den Münchner Kammerspielen (nachtkritik, BlZ), Claudia Rüll Calame-Rossets Inszenierung von Helgard Haugs Stück "All right. Good night" am Theater Lindenhof Melchingen (nachtkritik), Simon Solbergs Inszenierung seines Stücks "Archetopia" am Theater Bonn (nachtkritik), Henri Hüsters Adaption von Rainald Goetz' Roman "Johann Holtrop" am Theater Paderborn (nachtkritik), Kaija Saariahos Oper "Emilia", inszeniert von Immo Karaman am Staatstheater Mainz (FR), Leonie Böhns Inszenierung von "Räuberinnen" nach Friedrich Schiller am Gorki-Theater in Berlin (taz) und Laurence Dales Inszenierung des Händel-Pasticcios "Sarrasine" bei den Händel-Festspielen in Göttingen (FAZ).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 11.05.2024 - Bühne

Sina Martens und Gabriel Schneider in "Spielerfrauen" am BE. Foto: Jörg Brüggemann


In ihrem Stück "Spielerfrauen" erzählen Lena Brasch und Sina Martens am Berliner Ensemble von Frauen, Klischees und Machtmissbrauch. Aber mit sehr viel Witz, versichert Peter Laudenbach in der SZ: "Die Pointe ist natürlich, dass die dampfende Steinzeit-Männlichkeit bestens gelaunt vorgeführt wird. Späßchen sind am Ende vernichtender und sowieso unterhaltsamer als gegenderte Ideologie-Rechthaberei. Klischees sind an diesem Abend dazu da, genüsslich mit ihnen zu spielen, bis sie mit einem kleinen Knall explodieren: Puff!" Nachtkritikerin Elena Philipp bescheinigt dem Abend "durchschlagende Wirkung", meint aber auch, dass Brasch und Martens offene Türen einrennen: "#MeToo als Thema" sei im Theater "längst Mainstream. Allein am Berliner Ensemble gibt es mit Inszenierungen wie 'Revolt. She said. Revolt Again.' von Christina Tscharyiski (2018), 'It's Britney, Bitch', der Debüt-Inszenierung von Lena Brasch (2022) oder '#MotherFuckingHood' von Jorinde Dröse (2024) eine ganze Reihe von theatralen Diskursbeiträgen zu Fragen von Gender, Gewalt und Geschlechterungerechtigkeit." Im Tagesspiegel bespricht das Stück Christine Wahl.

Weiteres: Leopold Lippert berichtet in der nachtkritik vom Mainzer Theaterfestival für junge Regie "Plug & Play". Besprochen werden außerdem Peter Konwitschnys Inszenierung von Wagners "Rheingold" an der Oper Dortmund (FR), Nuran David Calis' Adaption von Emine Sevgi Özdamars Roman "Ein von Schatten umgrenzter Raum" im Carlswerk des Kölner Schauspiels (taz) und das Stück "Unsere Elf" von Regisseur Tuğsal Moğul und Dramaturgin Maren Zimmermann am Schauspiel Hannover (SZ).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 10.05.2024 - Bühne

"Ein von Schatten begrenzter Raum" am Schauspiel Köln. Foto: David Baltzer.

Etwas skeptisch war Max Florian Kühlem (SZ) bei der Frage, ob sich Emine Sevgi Özdamars Roman "Ein von Schatten begrenzter Raum" auf die Theaterbühne übertragen lässt. Nuran David Calis hat es am Schauspiel Köln versucht und sich vor allem auf die Identitätskonflikte der Protagonistin konzentriert: "Der Schlussapplaus ist lange, aber nicht außerordentlich euphorisch. Das könnte damit zu tun haben, dass man sich als Zuschauer erst mal sortieren muss nach dieser Tour de Force der letzten 100 Minuten." Die Geschichte zwischen Militärputsch in der Türkei und Flucht nach Europa überwältigt - im Gegensatz zum Roman - nicht: "Das Drama, das im Buch auf der intellektuellen Ebene abläuft, auf der Ebene sprachlicher Bilder und Verwandlungen, wird auf der Bühne zum emotionalen Drama." Nachtkritiker Gerhard Preußer findet die Dramatisierung auch eher "leicht angestrengt": "Szenische Aktion kommt nur in Andeutungen oder wilden Übertreibungen vor. Die Inszenierung komprimiert und überzeichnet - das Gegenteil von Özdamars Erinnerungsgenauigkeit und Gefühlsunmittelbarkeit."

Weiteres: Der wegen Besitz von Kinderpornographie verurteilte frühere Burgtheater-Schauspieler Florian Teichtmeister muss seinem früheren Arbeitgeber 20 000 Euro Schadenersatz zahlen, berichtet der Standard.

Besprochen werden: "Capri" von Anna Gschnitzer am Schauspielhaus Wien (Standard), "La Mer et moi" von Helge Letonja und Kossi Ahoulo-Wokawui in der Schwankhalle Bremen (Taz) und "Sonne/Luft" von Elfriede Jelinek am Theater Bremen (Taz).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 08.05.2024 - Bühne


Deutsche Oper Berlin - Intermezzo © Monika Rittershaus

Eine selbstbewusste Modernisierung von Richard Strauss' oftmals unterschätzter Oper "Intermezzo" legt Regisseur Tobias Kratzer an der Deutschen Oper in Berlin vor, freut sich Manuel Brug in der Welt. Kratzer zieht in die Ehefarce zahlreiche ironische Ebenen ein, das Ensemble brilliert in allen Tonlagen und Generalmusikdirektor "Runnicles liefert einen gestischen Instrumentalkommentar, der das Werk vorantrieb, aufblühen, den grandiosen Orchestrator Strauss strahlend zu seinem Recht kommen ließ. So erweist sich gerade das scheinbar so spießig altmodische 'Intermezzo' als intelligent weitsichtige Oper über die Oper. Mehr sogar: Desillusionierend führt sie ihr Instrumentarium vor und trägt als 'Charakter- und Nervenkomödie' kaum etwas von dem selbstgefälligen Bildungsballast vieler anderer Strauss-Werke."

Michael Ernst besucht für die FAZ das römische Auditorium della Conciliazione. Hier steht der Schriftsteller und Anti-Mafia-Aktivist Roberto Saviano auf der Bühne, in einer Performance, die sich vor allem mit der Sexualmoral der Mafia auseinander setzt: "In seiner kleinen Bühnenshow widmet sich Saviano dem Intimleben der kriminellen Macht und rückt vor allem die Rolle der Frauen ins Zentrum. Um Kriege zwischen den einzelnen Clans zu vermeiden und nützliche Allianzen zu schmieden, werden Frauen verheiratet, eingesperrt und erpresst, geschlagen oder gar ermordet. Eigene, von echtem Gefühl geprägte Entscheidungen sind ohnehin nicht vorgesehen. Selbstgewählte Liebe bedeutet Verrat an der 'Familie' und damit erst den Verlust von jeglichem Schutz, dann die harte Bestrafung."

Außerdem: Patrick Wildermann porträtiert im Tagesspiegel das Theaterkollektiv Helmi, dessen Existenz gefährdet ist. Die nachtkritik liveblogt weiter vom Theatertreffen. Atif Mohammed Nour Hussein denkt auf nachtkritik über Überwältigungstheater nach. In der taz Nord unterhält sich Lilli Uhrmacher mit Sabine Rieck, deren Show "Wilderness" am GOP-Theater in Bremen zu sehen ist.

Besprochen werden Yael Ronens "State of Affairs" am Thalia in Hamburg (Zeit), Yi-Chun Lius Tanzstück "'Close to you' (and think of the song)" am Stadttheater Gießen (FR), der Brecht-Abend "Fremder als der Mond" auf den Wiesbadener Maifestspielen (FR) sowie der Ballettabend "Les Sylphides" am Wiener Staatsballett und Crystal Pites Ballettstück "Assembly Hall" in einer Doppelbesprechung (Standard).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 07.05.2024 - Bühne

Besprochen werden Cathy Marston Tanzstück "Atonement" nach Ian McEwans Roman "Abbitte" an der Oper Zürich und Crystal Pites Choreografie "Assembly Hall" beim Schweizer Festival "Steps" in Zürich (SZ), Daniel Karaseks Oper "Buddenbrooks" am Theater Kiel (taz) und das Theaterfestival Ostopia am Nationaltheater Mannheim (taz).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 06.05.2024 - Bühne

"Carmen" in Zürich. Foto: Inès Manai.

"Carmen" als zeitgenössisches Theater mit Musik und Tanz? Dazu braucht man Kreativität, meint Lilo Weber in der NZZ angesichts Wu Tsangs Inszenierung der Bizet-Oper am Schauspielhaus Zürich. Tsang und ihre Gruppe Moved by the motion haben sich vorgenommen, die "Männerfantasie als solches" Stück für Stück zu dekonstruieren, so Weber. Inhaltlich kann das nicht ganz funktionieren, denn egal was man macht, Carmen bleibt letztendlich immer Fantasie. Tolles Theater ist das trotzdem, freut sich Weber, und die Musik trägt ihren Teil dazu bei: "Schnelle Rhythmen peitschen die Auseinandersetzungen um diese Suche an, als würde hier eine Uhr durch die Jahrhunderte ticken. Bläser scheinen wieder und wieder abzustürzen, als drohte alles im Nichts zu verschwinden. Die Geschichte beginnt an der Universität von Sevilla. Die Musikerinnen und Musiker lässt die Bühnendesignerin Nina Mader hinter einem Schleier draußen spielen." nachtkritikerin Christa Dietrich begrüßt die Idee einer "dreifachen Carmen": "Sie sind zu dritt. Eine raucht betont lasziv, in ihren schwarzen Haarlocken steckt eine rote Blüte. Eine zweite, üppig kostümiert als Operndiva, lacht schrill. Die Dritte liegt am Boden. Sie wird nach einiger Zeit weggeschleift."

Yael Ronens Inszenierung ihres Stücks "State of Affairs" am Thalia Theater Hamburg (nachtkritik, SZ), Tom Kühnels und Jürgen Kuttners Inszenierung von Friedrich Dürrenmatts "Die Physiker" am Landestheater Linz (nachtkritik), Maxim Didenkos Adaption von Kafkas Fragmentroman "Das Schloss" am Staatsschauspiel Dresden (nachtkritik), Max Simonischeks Inszenierung von Wilhelm Jacobys und Carl Laufs' Lustspiel "Pension Schöller" am Staatstheater Cottbus (nachtkritik), die Show "The Pulse" bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen (SZ), Niels Niemanns Inszenierung von Georg Anton Bendas Melodram "Ariadne auf Naxos" im Liebhabertheater Schloss Kochberg (FAZ), die internationale Koproduktion "We Are Hamlet" der Prague Shakespeare Company, dem Odesa Academic Ukrainian Music and Drama Theater "Vasily Vasilko" und der bremer shakespeare company, die im Theater am Leibniz-Platz in Bremen gezeigt wurde (taz).