9punkt - Die Debattenrundschau

Kommentierter Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Diese latente Bedrohung

06.05.2024. Nein, die Berliner Republik ist nicht Weimar, aber den Vergleich ziehen die Zeitungen nach den jüngsten Ausbrüchen politischer Gewalt schon. Wie ist es zu erklären, dass der leidenschaftlichste Ausbruch studentischen Aktivismus' seit den 1960er Jahren der Delegitimierung Israels gilt, fragt der Autor Yossi Klein Halevi in der Times of Israel. Die Ruhrbarone lesen den eigentlich weggesperrten Bericht des Bundesinnenministeriums zur Muslimfeindlichkeit. "Muslim Interaktiv" und extreme Rechte sind Teile eines Problems, schreibt Volker Weiß in der SZ.

Es beginnt eine große Verheerung

04.05.2024. Gäbe es die Hamas nicht, wäre keiner dieser Menschen tot, sagt der Antisemitismusforscher Jeffrey Herf in der taz - und ist bestürzt über das Bündnis heutiger "Linker" mit Nachfolgern der Nazis. Bei der Debatte um das richtige Fleischessen zur Verhinderung des Klimawandels boxen Hedwig Richter und FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube jetzt ohne Handschuhe. Die FAZ informiert auch über Gefahren, die von Gagausien ausgehen. Für Welt-Autor Thomas Schmid verkörpert Claudia Roth die Tendenz zu einer Verstaatlichung der Geschichtsdebatten.

Die Grenzen unseres Handelns

03.05.2024. In der taz erzählt die mexikanische Journalistin Teresa Montaño, wie es ist, vom eigenen Staat entführt zu werden. Was die Lautstärke des Schweigens betrifft, da dürften die Islamverbände einen Rekord halten, meint Spiegel online. Es ist nicht so sehr die Frage, ob Iwan Iljin ein Faschist war, sondern wie seine Philosophie Putin beeinflusst, meint die NZZ. Warum gibt es in Baden-Württemberg Religions- aber nicht Ethikunterricht, fragt hpd.de. Und Macron wiederholt: Bodentruppen nicht ausgeschlossen.

Das Versprechen der Gewaltlosigkeit

02.05.2024. In der FAZ macht sich Dror Wahrman große Sorgen um Israel: Der Zusammenhalt in der Gesellschaft schwinde immer mehr. Der Campus der Columbia-Universität wurde geräumt - für die Demokraten könnten die Proteste zum Verhängnis werden, meint die Zeit. Auf Spon verteidigt Jürgen Zimmerer Claudia Roths Konzept für eine neue Erinnerungskultur. Postkoloniale Linke können es einfach nicht ertragen, dass ein demokratischer Staat wie Israel auch mal Gewalt anwenden muss, um seine Bevölkerung zu schützen, ruft Gesa Lindemann auf Zeit Online. Ein Polexit ist unwahrscheinlich, beruhigt Andrzej Leder in der FR.

Verschiedene Wahrheiten

30.04.2024. Im Interview mit Zeit online ärgert sich die Schriftstellerin Mithu Sanyal über die "Sündenbock-Funktion", die dem Postkolonialismus seit dem 7. Oktober zugeschoben werde. Die FAZ wundert sich nicht über die antisemitische Stimmung an amerikanischen Universitäten: Hass auf Israel und den Westen sei dort signifikanter Bestandteil des Kerncurriculums. Antisemitische Proteste? Überhaupt nicht, wehrt sich auf CNN ein jüdischer Student, der die kollektive Entscheidungsfindung der Demonstranten in Yale lobt. Die SZ fragt, warum nur der § 218 einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eines Menschen erlaubt.

Unter einer blauen Plane

29.04.2024. Die antiisraelischen Studentenproteste gehen weltweit weiter. Londoner Behörden packen jetzt Holocaust-Mahnmale ein, um sie vor Vandalen zu schützen, berichtet Daily Mail. Die SZ greift einen Artikel des Tech-Kritikers Cory Doctorow auf und prangert neue Formen des Überwachungskapitalismus an: Du merkst es an der Sitzheizung in Deinem BMW! In Zeit online will Politikwissenschaftler Marcus Bösch nicht mehr nur Jugendliche vor Tiktok schützen.

Nehmt endlich auch mein Leben

27.04.2024. Im Interview mit Zeit online plädiert die Ethikprofessorin Ingrid Robeyns dafür, dass niemand mehr als 1 Million Euro oder höchstens 10 Millionen besitzen sollte. Die NZZ erklärt, warum die polnische Erinnerungspolitik eines Wandels bedarf. In der taz fordern Sylvie Goulard und Daniel Cohn-Bendit ein föderales Europa. Der Rapper Toomaj Salehi wurde im Iran zum Tode verurteilt, berichtet die SZ. Die Welt ist einigermaßen fassungslos, welche Rechte das neue Selbstbestimmungsgesetz Eltern über ihre Kinder gibt. Die FAZ erzählt, warum syrische Flüchtlinge im Libanon nicht integriert werden.

Aber die Stimmung ist hin

26.04.2024. "Einfrieren" ist nicht der richtige Weg, sagt der Historiker Jörn Leonhard, Autor des Buchs "Über Kriege und wie man sie beendet", in der SZ. In Zeit-Online warnt die italienische Philosophin Donatella di Cesare vor einer "Orbanisierung Italiens". Die FAZ schildert einen seltsamen Streit zwischen russischen Faschisten, die glauben, sie seien Antifaschisten. Auf den Seiten der Naumann-Stiftung erzählt die deutsch-israelische Journalistin Sarah Cohen-Fantl, warum sie mit ihrer Familie nach Israel zurückzieht.

Verdächtige politische Tendenzen

25.04.2024. Auf Spon fordern Politiker aus Brasilien, Südafrika, Spanien und Deutschland eine Globalsteuer für Milliardäre, die sich vor der Einkommenssteuer drücken können. Die SZ fürchtet mit der Teil-Legalisierung von Cannabis kriminelle Zustände wie in den Niederlanden. In der Welt hat der Philosoph Philipp Hübl die Nase voll vom großen Moralspektakel in Debatten. Ähnlich geht es dem Pädagogen Bernd Ahrbeck, der in der FAZ die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr sieht. Im Tagesspiegel erklärt Berlins Kultursenator Joe Chialo, wie er den deutschen Kolonialismus mehr in unsere Erinnerungskultur rücken möchte.

Das letzte Wort der Aufklärung

24.04.2024. Was für ein trauriger Sinkflug: Die Losung "Frieden schaffen ohne Waffen" ist inzwischen bei Björn Höcke gelandet, notiert der Historiker Volker Weiß in der SZ. In der FAZ will Jürgen Kaube Hedwig Richters vegane Suppe partout nicht essen. Im Tagesspiegel erhofft sich Marina Weisband durch ein AfD-Verbot mehr Zukunft für die Demokratie. Nochmals in der FAZ wirft Armin Nassehi einen "dritten Blick" auf den Gaza-Konflikt. Und was macht Steinmeier mit Erdogan?